Es war alles angerichtet. Vertreter der Sponsoren sowie einige Ehrenmitglieder genossen das Apéro des EHC Kandersteg. Mit dem EHC Mirchel gastierte eine der Spitzenmannschaften und die Einheimischen hatten die letzten zwei Spiele gewonnen.
Als hätte es nicht besser geplant werden können, setzen sie sich in einem an Spannung kaum zu überbietendem Spiel mit 6:5 Toren nach Penaltyschiessen durch.
Den EHC Mirchel als Angstgegner zu bezeichnen, wäre nur korrekt, wenn sich die Kandersteger in der Vergangenheit eine valable Chance erarbeitet hätten. Aber die mit vielen ehemaligen MySports-League-Leistungsträgern und Nationalliga-Spielern gespickte Mannschaft war in der Vergangenheit kaum in der Leistungsreichweite der Oberländer. Eine ehrenvolle Niederlage war das höchste aller Gefühle. Doch in dieser Saison ist einiges anders. Das neue Trainerduo vermittelt der Mannschaft ein stabiles System, viel Freude und ein gesundes Selbstvertrauen. Daraus ergaben sich in der laufenden Meisterschaft wichtige Siege gegen direkte Konkurrenten um die Playoffplätze aber auch positive Überraschungen gegen Spitzenmannschaften wie dem Sieg gegen den SC Bönigen als einem der Höhepunkte.
Starkes erstes Drittel
Mit diesem Selbstvertrauen begannen die Kandersteger das Spiel gegen den EHC Mirchel. Sie konnten diese über weite Strecken neutralisieren und die vielen überdurchschnittlichen Einzelspieler in ihren Aktion einschränken. Wenn dann trotzdem ein Durchbruch gelang, spielte Torhüter Grégory Steiner seine überragende Form aus und hielt mit seinen großartigen Paraden die Einheimischen im Spiel. Ein persönlicher Effort gepaart mit dem Glauben, dass jeder Abschluss eine reelle Torchance ist, führte zum Führungstreffer durch Jonathan Ryter. Mit einer Länge Vorsprung gingen sie in die erste Pause – eine erste positive Überraschung war Tatsache.
In den zweiten 20 Minuten waren die Gastgeber weniger kompakt. Sie konnten die Räume für die läuferisch sehr starken Gäste nicht mehr so eng wie nötig machen. Zudem vernachlässigten sie das zu Beginn konsequente Körperspiel. Die Folge waren zu viele gute Torchancen des Gegners die mit ihrer Klasse früher oder später zu Torerfolgen führen mussten. Im zweiten Drittel sollte es zum Glück nur zwei sein.
Tolle Moral
Die Gastgeber ergaben sich aber nicht wie in der Vergangenheit in der Rolle des Underdogs. Im Gegenteil, sie markierten sehr bald im letzten Abschnitt den Ausgleich und zeigten auf, dass sie Paroli bieten wollten. Zwei weitere Gegentreffer konnten sie unter grossem Einsatz jeweils wieder ausgleichen. Beeindruckend war, dass alle drei Blöcke ihren Beitrag leisteten. Dies nota bene ohne Verstärkungsspieler. Noch besser, auch zwei Saisondebutanten (Alexander Heim, zurück von zwei Kreuzbandrissen / Björn Künzi zurück aus der RS) konnten Akzente setzen.
Wenn zudem das Powerplay wie schon öfter erwähnt die Verfassung einer Mannschaft widerspiegelt, sind die zwei Überzahl Tore der Kandersteger auch ein klares Statement. Das zweite war gleichzeitig auch deren zweite Führung.
Leider konnten sie diese nicht über die Zeit retten und mussten sich dem grossen Druck des spielerisch überzeugenden Widersachers beugen. Doch die zweite Überraschung war mit dem Punktgewinn erkämpft.
Wille versetzt Berge
Das neue Selbstverständnis der Mannschaft heisst nicht zufrieden zu sein, gegen eine Spitzenmannshaft einen Punkt geholt zu haben, sondern davon überzeugt zu sein, einen Zusatzpunkt erzielen zu können. Dies kam in den fünf Minuten Overtime klar zum Ausdruck. Die Gäste wollten diesen auch und wären mit ihren Einzelspielern auch im Vorteil gewesen. Doch der unbändige Wille der Kandersteger reichte nicht nur für eine Entscheidung im Penaltyschiessen, sogar der eine oder andere Abschluss konnte erzielt werden. Dies tat aber der Gefährlichkeit des Gegners keinen Abbruch.
Bei der Lotterie Penaltyschiessen gewinnt häufig die kaltblütigere Mannschaft oder die mit dem besseren Torhüter. Dass die Kandersteger einen – oder eigentlich zwei - überragende Torhüter in ihren Reihen wissen kann dem Saison- wie auch dem Spielverlauf entnommen werden. Mit der Kaltblütigkeit haperte es zuweilen. Wenn aber der Torhüter keinen Treffer zulässt, reicht der souveräne Abschluss vom Matchwinner und Torschütze in der regulären Spielzeit Martin „Schnutz“ Lengacher zum Sieg.
Alle Dämme brachen, die Freude der Spieler wie auch der Zuschauer war überwältigend. Die Sensation war aufgrund der geschlossenen Mannschaftsleistung wie der grossen Willensleistung sicher nicht unverdient.
EHC Kandersteg
Andreas Josi
Matchtelegramm: EHC Kandersteg – EHC Mirchel 6:5 n.P.
18.12.2021 Kunsteisbahn Kandersteg 20:15 Uhr
Zuschauer: 85
Schiedsrichter: Herrmann D. / Hirschi A.
Strafen: EHCK 3 x 2 Minuten
EHCM 3 x 2 Minuten
Torschützen: 18. Ryter (Heim, Frei) 1:0; 29. Schwab (Messerli) 1:1; 33. Burkhalter 1:2; 42. Müller R. (Ausschluss Schwab) 2:2; 43. Schwab (Scheurer, Schlapbach) 2:3; 47. Heim (Künzi B., Stoller) 3:3; 48. Suter (Messerli) 3:4; 50. Zurbrügg 4:4; 53. Lengacher (Wandfluh; Ausschluss Müller Y.) 5:4; 58. Baeriswyl (Bucher, Suter) 5:5; 65. 6:5
Fotos: Michael Schinnerling
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